Tänze aus der Zeit Luthers bei der Familienbildungsstätte

BIBERACH - Als Nachtrag zum Luther-Jahr hat die Familienbildungsstätte zusammen mit der LAG Tanz eine hochkarätige Referentin nach Biberach geholt Jadwiga Nowaczek, Tanzpädagogin und Expertin für Tanz- und Musikgeschichte, bot in einem Seminar Tanzanleitung vom Feinsten und dazu jede Menge Informationen zur Kulturgeschichte dieser Zeit.

Gemäß dem Luther-Zitat „Christen sind ein seliges Volk. Die können sich freuen im Herzen, können tanzen und springen und jubeln" bewegte sich die Gruppe von Tänzerinnen und Tänzern auf Musikstücke, die aus unterschiedlichen Quellen stammten. Zentrales Dokument war ein Brief, den Johannes Cochläus aus Bologna nach Nürnberg schickte, und zwar im Jahr 1517. Also just im selben Jahr, in dem Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlichte. Dieser Brief ging an die Töchter des gelehrten Humanisten Willibald Pirckheimer, die von ihren drei Cousins, die zum Studium in Bologna weilten, die neuesten Tänze erfahren wollten. Der Brief stellt eine Momentaufnahme des aktuellen Tanzrepertoires dar, das im Frühjahr 1517 in Bologna und vielleicht auch wenig später in Nürnberg getanzt wurde. Als „Nürnberger Manuskript" gilt er als einzig¬artige Informationsquelle in deut¬scher Sprache. Er enthält detaillierte Tanzanweisungen, die bei den Kursteilnehmern teils für Staunen und Gelächter sorgten: in fränkisch-deutscher Schreibweise heißt es beispielsweise, der Tanz hebe an „mit 3 contra baß", wobei es sich nicht etwa um das Musikinstrument, sondern um die italienische Bezeichnung für Tanzschritte namens „contrapassi" handelt. Ein weiterer Tanzschritt, italienisch „continenza", war wohl in der damaligen Zeit so geläufig, dass kein einziger italienischer Tanzmeister genau erklärte, wie dieser Schritt auszuführen sei. In besagtem Brief heißt es „...danach die continentz oder ploßpelg" - woraus Jadwiga Nowaczek ableitet, dass Schritte wie beim Treten eines Blasebalgs auszuführen seinen.

Dass manche alte Kirchenlieder auf noch ältere ganz weltliche Quellen zurückgehen, dass Tanzsätze und Liebes-Kanzonen, die einst durchaus fleischliche Freuden besangen, zum Beginn der Reformation Melodien zur geistlichen Erbauung und Buße lieferten, gehört zu den weiteren Erkenntnissen, die dann auch gleich tänzerisch umgesetzt werden konnten. Luthers Komposition „Vom Himmel hoch" folgt zum Beispiel dem populären Reigen „Ich kumm aus frembden Landen her", mit dem Tänzer und Tänzerinnen spielerisch umeinander warben. Schließlich aber war dem Reformator wohl doch unbehaglich, dass dieser Tanz mit seinen nicht immer jugendfreien Strophen zwangsläufig immer beim Singen im Gottesdienst mitschwang, und so ersetzte er die Melodie durch die bis heute gängige neue Weise. Sein Tischgast Georg Forster setzte dem ein humorvolles Denkmal mit einem Satz, in dem beide Melodien gleichberechtigt ihren Platz finden, und dieses Lied versuchten die Seminarteilnehmer dann auch mitzusingen.

Vom Bodensee und aus dem mittleren Neckarraum waren die Interessenten zu dem Tanzlehrgang angereist. Die Teilnehmer erhielten einen guten Einblick in. die Bandbreite und Vielseitigkeit der Tänze, wie sie zur Zeit Luthers in verschiedenen Bevölkerungsschichten praktiziert wurden.